Denken wagen

Eingestellt von Jutta Hermann Kommentare (0)Artikel lesen

Liebe Mitglieder, liebe Leser,

im vergangenen Jahr hatte ich zum Jahresbeginn ein paar Gedanken über das Thema: Dem Leben einen Sinn geben auf unsere Seite gesetzt.

Dieses Jahr möchte ich ein paar wundervolle Worte von unserem Mitglied Kurt Wassmann veröffentlichen. Er hat mir diesen Brief geschrieben und ich möchte ihn Euch nicht vorenthalten.

"Denken wagen"

was für ein schönes Motto!

Ich wünsche allen ein besinnliches Lesen. Jutta Hermann

„Denken

wagen“, überschreibt der Philosoph Immanuel KANT (1724 - 1804) seinen Text, indem er das Denken mit dem Begriffen der Aufklärung und der verstandesbedingten Orientierung verbindet.

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“, ist seine These. Unmündigkeit ist selbst verschuldet, wenn es der Mensch für „beschwerlich“ oder gar „gefährlich“ hält, seine Mündigkeit zu zeigen. Er liefert sich, oft sogar in demokratischen Wahlen, einer politischen Führung aus, die ihm vorschreibt, wie er sich zu verhalten hat und er akzeptiert damit seine Entmündigung.

Da KANT politischen und religiösen Dogmatismus ablehnte, wurde die Veröffentlichung mehrerer seiner Schriften durch preußische Zensurbehörden verboten. Er lebte in einer Zeit des herrschenden Absolutismus, in der Zeit der Kaiser und Könige. Er war zweifellos ein sehr selbstbewusster und mutiger Mann.

KANT widmet in seinem Text dem besonderen Problem des „schönen Geschlechts“ seine Aufmerksamkeit und erhält dafür meine begeisterte Zustimmung. Für alle Frauen dieser Welt sieht er die Realität der Entmündigung. Den bisherigen Erfolgen der Emanzipation hätte er vorbehaltlos zugestimmt. Selbst in unserem Land ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen.

Einige die Frauen entmündigenden Gesetze wurden erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geändert. Der das deutsche Grundgesetz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ausarbeitende Parlamentarische Rat, der von Männern dominiert wurde, hatte bereits beschlossen, dass die völlige Gleichstellung von Mann und Frau in das Grundgesetz nicht aufgenommen werden sollte. Eine kämpferische Frau als Mitglied des Rates löste eine Protestwelle in der Öffentlichkeit aus. Die Herren sahen sich erst unter diesem Eindruck veranlasst, die gesetzliche Gleichberechtigung zu berücksichtigen.

Mehrere Millionen Frauen in unserer Welt konnten sich ihrer Entmündigung bisher nicht erwehren. Nicht, dass ihnen der Mut fehlen würde, denken zu wagen, ihnen fehlt eine wichtige Voraussetzung: Bildung! Diese wird ihnen durch die Männerwelt verwehrt. Nur durch Bildung wären sie in die Lage versetzt, ihre Situation unter sozialen, politischen und religiösen Gesichtspunkten zu beurteilen und gegen ihre Entmündigung zu kämpfen.

 

          KANT stellt die Frage: „Sich im Denken orientieren?“ Er beantwortet sie mit Beispielen der optischen Wahrnehmung. Er nennt als Beispiele den Stand der Sonne, der uns die Orientierung in Bezug auf Tagezeiten erlaubt und damit verbunden die Bestimmung der Himmelsrichtungen ermöglicht. Gleiches gilt für den nächtlichen Sternenhimmel. Vorraussetzung für diese Orientierungen ist jedoch das Denken.

 

          Ich möchte den Bogen des Orientierens durch das Denken weiter spannen. Wir sollten eine besondere Sensibilität für unsere Umwelt entwickeln. Die bewusste Wahrnehmung der Natur lässt uns erkennen, welchen Schaden wir bereits angerichtet haben und wie wir uns „bemühen“, diesen Schaden zu vergrößern. Das Denken an die negativen Folgen, die uns und zukünftige Generationen belasten, sollte eine neue, durch Vernunft geprägte Orientierung auslösen. KANT war diese Problematik noch nicht bekannt. Ich bin sicher, er hätte diese Orientierung nachdrücklich gefordert.  

 

Kurt Wassmann

 

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